Halbleiterfertigung in Dresden: Eine Nerd-Klassenfahrt in die Chipfabrik

Den Aufwand der Halbleiterproduktion verbergen meist Fabrikmauern. Bei Globalfoundries konnten wir uns das Innere der Dresdner Fab ansehen.

Eine Reportage von Johannes Hiltscher veröffentlicht am
Keine Klassenfahrt ohne Selfie: zwei Golems in der Chip-Fabrik
Keine Klassenfahrt ohne Selfie: zwei Golems in der Chip-Fabrik (Bild: Martin Wolf, Golem.de)

Halbleiter sind zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft, doch von ihrer Entstehung bekommt man meist wenig zu sehen. So bleiben die Dimensionen der Maschinen, die die winzigen Schaltkreise fertigen, und der Aufwand ihrer industriellen Herstellung hinter den Mauern der Fabs verborgen. Sichtbar ist nur: Ein Silizium-Wafer geht rein, Chips kommen raus. Dazwischen liegen allerdings Tausende Prozessschritte.

Inhalt:
  1. Halbleiterfertigung in Dresden: Eine Nerd-Klassenfahrt in die Chipfabrik
  2. Auf in den Reinraum
  3. Ein bunter Maschinenpark
  4. Halbleiterfertigung ist wie kochen
  5. Fehlersuche in Chips
  6. Den Suchbereich eingrenzen

Bei Globalfoundries konnten wir uns in der Fab 1 in Dresden, aktuell die größte in Europa, einen Eindruck verschaffen, was erforderlich ist, um 850.000 300-mm-Wafer pro Jahr zu fertigen. Hier arbeiten 3.400 Menschen aus fast 50 Nationen. Das einst von AMD ausgegründete US-Unternehmen fertigt für verschiedenste Kunden ein breites Spektrum an Halbleitern, vom Prozessor über 5G-Modems bis hin zu Chips für sichere Bezahlfunktionen. In die Reinräume kommt normalerweise nur, wer auch wirklich hinein muss und jährlich eine Schulung macht, und zwar aus zwei Gründen: Hier finden sich viele vertrauliche Informationen zu Kunden und Fertigungsprozessen. Außerdem soll der Reinraum möglichst rein bleiben.

Jeder Partikel in der Luft kann zumindest Teile eines Wafers unbrauchbar machen – und damit die Arbeit von zwei bis drei Monaten ruinieren. So lange ist jeder Wafer unterwegs, dann verlässt er nach bis zu 3.000 Prozessschritten fertig das Werk. Allein die Hälfte der Schritte sind Messungen, um permanent zu überprüfen, ob die Produktion einwandfrei läuft. Prinzipiell funktioniert die Fertigung ohne Menschen, allerdings sind ständig Wartungsarbeiten zu erledigen; auch gebaut wird noch immer, in vielen Bereichen ist noch Platz für weitere Maschinen.

Erst einmal fünfzehn Minuten umziehen

Bevor wir uns die Reinräume ansehen dürfen, heißt es zuerst: umziehen, und zwar in fester Reihenfolge. Bis auf die Unterwäsche bleibt alles draußen, wir bekommen spezielle Reinraumkleidung. Auch mein elektronischer Notizblock muss draußen bleiben, stattdessen bekomme ich ein altmodisches Exemplar aus Papier mit der Aufschrift Clean Notebook. Hose, T-Shirt und Unterhandschuhe werden täglich gewaschen, da hiervon jeden Tag Hunderte anfallen und Leitungswasser zu dreckig ist in der eigenen Wäscherei mit hochreinem Wasser.

  • Zum Transport sind die Wafer in FOUP genannte Boxen sortiert. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Ein FOUP fasst 25 Wafer mit einem Durchmesser von 300 mm. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Mehr als 900 dieser Transportroboter sind an der Decke der Hallen unterwegs. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Einfach rumstehen darf nichts, zum Abstellen gibt es ausgewiesene Bereiche. Außerdem muss immer abgesperrt werden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Die Maschinen kommen ohne Menschen zurecht, nur selten sitzt jemand davor. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Am Übergang vom gelb beleuchteten Lithografiebereich zum weiß beleuchteten Abschnitt (hier blau durch Weißabgleich) gibt es automatische Türen für die Transportroboter. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Zwischen den einzelnen Hallen gibt es Brücken, die die Reinräume verbinden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Fenster gibt es in den Reinräumen eigentlich kaum, die wenigen sind mit Folie abgeklebt, um schädliche Spektren auszusperren. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Gelegentlich gibt es unter der Decke Stau. Rechts sind die Deckenlagerplätze sowie ein Stocker zu sehen, in denen die Transportroboter FOUPs zwischenlagern. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • In der Bump Test Facility transportiert ein Roboter die FOUPs am Boden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Einige Beispiele von Chips aus der Dresdner Fab. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Im Labor für Materialanalyse dürfen wir auch einen Wafer in die Hand nehmen. Darauf befinden sich verschiedene Teststrukturen. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Geübte Augen erkennen anhand der Muster, was sich auf dem Wafer befindet. Ich muss nachfragen.  (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Im Reinraum ist nur Papier für Notizen erlaubt. (Bild: Johannes Hiltscher/Golem.de)
Im Reinraum ist nur Papier für Notizen erlaubt. (Bild: Johannes Hiltscher/Golem.de)

Natürlich bekommen wir auch saubere Schuhe, Kopf- und Gesichtshaar werden unter Netzen versteckt, danach kommt der Mundschutz. Zumindest mit dem kennen wir uns nach zweieinhalb Jahren Coronapandemie aus, die Überbekleidung erfordert allerdings etwas Übung. Die Kopfhaube ist noch kein Problem, beim Ganzkörperanzug bekommen wir zum Glück Hilfe. Er darf beim Anziehen nicht über den Boden schleifen. Karin Raths, die uns durch die Fab führen wird, ist da geübter – in ihren 22 Jahren bei GF, anfangs noch AMD, hatte die Unternehmenssprecherin auch mehr Zeit zu üben.

Zuletzt ziehen wir noch Latexhandschuhe an, über die Bünde der Ärmel gezogen schließen sie den Körper fast vollständig von der Umwelt ab. Am Eingang zum Reinraum zeigt ein Monitor nicht nur, dass seit dem letzten Arbeitsunfall 169 Tage vergangen sind und wie viele Wafer in den letzten Tagen gefertigt wurden, sondern auch die Reinraumregeln: Maske über der Nase tragen, Tic-Tac-Toe spielen auf dem Anzug ist verboten, auch wenn die eingewebten Kohlefaserfäden dazu einladen.

  • Zum Transport sind die Wafer in FOUP genannte Boxen sortiert. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Ein FOUP fasst 25 Wafer mit einem Durchmesser von 300 mm. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Mehr als 900 dieser Transportroboter sind an der Decke der Hallen unterwegs. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Einfach rumstehen darf nichts, zum Abstellen gibt es ausgewiesene Bereiche. Außerdem muss immer abgesperrt werden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Die Maschinen kommen ohne Menschen zurecht, nur selten sitzt jemand davor. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Am Übergang vom gelb beleuchteten Lithografiebereich zum weiß beleuchteten Abschnitt (hier blau durch Weißabgleich) gibt es automatische Türen für die Transportroboter. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Zwischen den einzelnen Hallen gibt es Brücken, die die Reinräume verbinden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Fenster gibt es in den Reinräumen eigentlich kaum, die wenigen sind mit Folie abgeklebt, um schädliche Spektren auszusperren. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Gelegentlich gibt es unter der Decke Stau. Rechts sind die Deckenlagerplätze sowie ein Stocker zu sehen, in denen die Transportroboter FOUPs zwischenlagern. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • In der Bump Test Facility transportiert ein Roboter die FOUPs am Boden. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Einige Beispiele von Chips aus der Dresdner Fab. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Im Labor für Materialanalyse dürfen wir auch einen Wafer in die Hand nehmen. Darauf befinden sich verschiedene Teststrukturen. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Geübte Augen erkennen anhand der Muster, was sich auf dem Wafer befindet. Ich muss nachfragen.  (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
  • Im Reinraum ist nur Papier für Notizen erlaubt. (Bild: Johannes Hiltscher/Golem.de)
Einige Beispiele von Chips aus der Dresdner Fab. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)

Mit einigen Technikern auf dem Rückweg von der Pause betreten wir über einen ansteigenden Gang den Reinraum. Dass der Weg bergauf führt, sei kein Relikt von Umbauten im Rahmen der Erweiterung der Fab, erklärt Karin Raths. Der Anstieg ist gewollt und sorgt zusammen mit dem Überdruck im Reinraum dafür, dass Partikel in Richtung Ausgang gelangen. Hier beginnt unser Rundgang durch die insgesamt 60.000 m2 Reinraumfläche der Fab.

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Auf in den Reinraum 
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JouMxyzptlk 21. Sep 2022

Wird dem "IT-New für Profis" wieder gerecht. Es bräuchte mehr von diesem Niveau...

Kaeptn Quasar 21. Sep 2022

Ich war echt überrascht von der Größe dieser automatisierten Anlage und wieviele Schritte...

Netzweltler 21. Sep 2022

Bei so teuren Reinräumen gibt es einige Redundanzen bei Energie-/Medienversorgung, der...

jhi (Golem.de) 21. Sep 2022

Das stimmt, aber das Labor nicht ;)



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