FahrradanhängerImmer im Windschatten

Jörg Spaniol

 · 17.12.2021

Fahrradanhänger: Immer im WindschattenFoto: Jörg Spaniol
Fahrradanhänger: Immer im Windschatten
Im Vergleich zum Lastenrad bleiben Lastenanhänger oft unbeachtet. Ein Fehler, wie unser Vergleichstest von fünf Fahrradanhängern beweist.

Eigener Erfolg wird zu Problem für Lastenräder

Getränkekisten, Campingausrüstung oder Paddelboote – nicht alles, was von A nach B soll, passt auf den Gepäckträger. Doch spätestens seit der massenhaften Verbreitung von Pedelecs hat das Auto beim Transport kleiner Lasten ernsthafte Konkurrenz bekommen. Das Anfahren oder die Überwindung von Steigungen sind durch den Motor so mühelos geworden, dass auch Zustelldienste wie UPS Lastenräder und Fahrradanhänger einsetzen. Dass die Anhänger imagemäßig im Schatten der E-Lastenräder stehen, kann einen Spezialisten wie den „Hinterher“-Gründer Peter Hornung-Sohner nur wundern: „Lastenräder gelten als cool und als Symbol einer Verkehrswende. Dabei bekommt das Lastenrad längst Probleme durch seinen eigenen Erfolg. In den Innenstädten gibt es bereits eine Konkurrenz um sichere Abstellplätze. Da haben wir psychologisch einen Nachteil: An­hänger gelten als Zubehör, und das wird nicht richtig wahrgenommen.“

Der CROOZER CARGO TUURE von EDELSHOPPER
Foto: Jörg Spaniol

Diese Fahrrad-Lastenanhänger finden Sie im Test:

Zudem stellt ein Lastenrad hohe finanzielle Anforderungen. Höherwertige Modelle kosten mindestens 5.000 Euro – und damit etwa das Zehnfache des Durchschnittspreises in unserem Anhängertest. Gerade für Nutzer*innen, die ein Lastenrad nicht täglich benötigen, sind Anhänger attraktiv. Sie fahren nur mit, wenn sie wirklich gebraucht werden. Die meisten sind schnell zerlegt und kompakt verstaubar.

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Lastenanhänger haben in Sachen Flexibilität Vorteile im Vergleich zu Lastenrädern.Foto: Jörg SpaniolLastenanhänger haben in Sachen Flexibilität Vorteile im Vergleich zu Lastenrädern.

In unserem Test haben wir uns auf zweispurige Modelle beschränkt. Einspurige Reise-Anhänger verbieten sich aufgrund ihres Handlings im Alltag: Einen beladenen Einachser abgekoppelt zu manövrieren ist kaum möglich, während die Zweiachser sogar als Handkarren benutzt werden können. Bei der Anhängergröße fiel die Auswahl auf die meistgefragte Kategorie. Hier ist die Ladefläche etwa 50 bis 60 Zentimeter breit und 60 bis 90 Zentimeter lang. Die Hersteller empfehlen Maximalzuladungen von 35 bis 60 Kilo – fast immer mehr, als uns für zügiges Fahren empfehlenswert erscheint. Alexander König, der an der Entwicklung des Weber Kargo mit satten 60 Kilo Zu­ladungsmöglichkeit beteiligt war, sieht in dieser Größenklasse auch eine sinnvolle Höchstgrenze: „Seit es so viele E-Bikes gibt, laden die Leute die Anhänger voll, als gäbe es kein Morgen. Dafür ist aber die ganze Fahrradtechnik nicht ausgelegt.“

Fahrrad-Lastenanhänger im Talentwettbewerb

Auch mit einer Zuladung von „nur“ 25 Kilo ist Routine am Lenker gefragt. Beim kräftigen Anbremsen in Kurven kann die Fuhre das Hinterrad nach außen drücken, beim Rangieren stellt der Wendekreis Ansprüche – und ein Gespann rückwärts einzuparken ist ein Job für Menschen mit Lkw-Führerschein.

Riesig ist das Angebot an hochwertigen Lastenanhängern nicht. Doch auch, wenn uns ein paar Modelle entgangen sein sollten, dürften unsere fünf Kandidaten das technische Spektrum abbilden. Um sie vergleichen zu können, haben wir sie mit 25 Kilo beladen durch einen Testparcours geschickt. Ein wenig Slalom, ein wenig Kopfsteinpflaster, ein paar Bordsteinkanten … Dann sollten mehrere Tester sie an- und abkoppeln, zerlegen, verstauen. Wissenschaftlich ist das alles nicht, aber praxisnah. Erwartungsgemäß gab es keine Totalversager, doch die unterschied­lichen Talente schälten sich heraus.

Da ist das Leichtgewicht, der 6,5-Kilo-Anhänger von Burley. Seine Stärke ist das geringe Verstaumaß. Montiert ist er ein guter Begleiter für den Familienausflug. Reacha, ein junges Unternehmen aus dem Surfbereich, schickte einen selbst in der Breite justierbaren Anhänger ins Rennen, der vor allem mit leichten, sperrigen Sachen zurechtkommt. Das können Kartons sein, aber eben auch Boote oder Surfboards. Wir können ihn uns gut mit den optionalen Fatbike-Reifen auf dem Weg zum Strand vorstellen. Um die Alltags-Krone streiten Croozer und Hinterher. Beide sind leicht zerlegbar und gut verarbeitet, unterscheiden sich aber im Charakter. Während der Croozer ein Einkaufswagen für viele kleine Dinge ist, müsste man den Hinterher dafür erst mit Ladebordwänden oder einer Alubox aus dem fast unendlichen Zubehörprogramm der Marke aufrüsten. Dafür ist er wesentlich toleranter für sperrige Dinge und dadurch vielseitiger. Webers großer Kargo-Anhänger braucht eher einen Parkplatz in der Garage – oder gleich in einer Werkstatt. Für den gelegentlichen Haushaltseinsatz ist er sehr sperrig und schwer.

Ob diese Bandbreite dem Lastenrad Marktanteile abjagen wird? Dem Hinterher-Macher Hornung-Sohner ist es jedenfalls um die Zukunft der Gattung nicht bange: „Ich glaube, mit den Anhängern haben wir aufs richtige Pferd gesetzt“, sagt er. „Klimawandel, Parkplatzmangel und Verkehrsdichte spielen uns in die Hände.“

Bei den fünf getesteten Anhängern gibt es insgesamt zwei verschiedene Befestigungsmöglichkeiten. An der Sattelstütze und wie im Bild am linken, hinteren Ausfallende.Foto: Jörg SpaniolBei den fünf getesteten Anhängern gibt es insgesamt zwei verschiedene Befestigungsmöglichkeiten. An der Sattelstütze und wie im Bild am linken, hinteren Ausfallende.

Fahrrad-Anhängerkupplungen im Vergleich

In unserem Testfeld aus zweirädrigen Lastenanhängern sind zwei unterschiedliche Varianten der Befestigung am Zugfahrrad vorgesehen. Die erste davon fixiert die Deichsel an der Sattelstütze – was im Bereich der Alltagsräder an jedem Bautyp möglich sein dürfte. Beim Gattungsvertreter von Reacha ist dafür nicht einmal ein Adapter vorgesehen. Die Klettverschlüsse hielten im Fahrtest zuverlässig. Fahr­dynamisch ist der weit oben und vorne gelegene Ansatzpunkt aber nicht ideal. Im Wiegetritt oder beim Bremsen in Kurven stört die Last das Fahrgefühl.

Alle anderen Kupplungen greifen am linken hinteren Ausfallende an, auf Achshöhe oder knapp darunter. Die Rahmensteifigkeit ist dort hoch, auch Kippbewegungen des Rades werden souverän übertragen. Weber und Hinterher benutzen die Weber-Kupplung. Die sehr bewährte und sichere Kupplung ist für praktisch alle Arten von Ausfallenden und Steckachsen zu haben. Am Rad verbleibt jedoch ein unschöner Adapter mit Faltenbalg. Deutlich eleganter ist die ebenfalls gut bedienbare und satt einrastende Croozer-Kupplung, die in etwas weniger Varianten erhältlich ist. Die sehr minimalistische Burley-Variante fällt technisch dagegen ab, was aber im nur gelegentlichen Einsatz zu verschmerzen ist.

Für Fahrradanhänger gelten dieselben Regelungen wie für die am Pkw.Foto: Jörg SpaniolFür Fahrradanhänger gelten dieselben Regelungen wie für die am Pkw.

Diese Regeln gelten für Fahrradanhänger nach StVZO

In der normierungsfreudigen EU ist die Beschaffenheit von Produkten bis in Feinheiten geregelt. Die für Fahrradanhänger formulierte DIN EN 15918 kümmert sich sogar um die Entflammbarkeit der Anhänger.

Erstaunlich ist, dass die Frage nach zulässigen Höchstmaßen und Zuladungen für Lastenanhänger am Fahrrad nicht ähnlich penibel geklärt scheint. Für Fahrradanhänger gelten daher dieselben Regelungen wie für die am Pkw. Nach den Buchstaben der StVZO bedeutet das eine zulässige Breite von 2,55 Metern, eine Höhe von 4 Metern und eine zulässige Länge von 12 Metern. Die tatsächliche Grenze beim Anhängerkauf setzt also eher die Vorgabe des § 30. Er bestimmt, dass „ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt“.

Offenbar reicht das in der Praxis aus: Auf Straßen und Radwegen sind höchstens ausnahmsweise Anhänger von vier oder fünf Meter Länge, etwa mit einem Boot oder SUP-Board, zu sehen. Extrabreite Anhänger scheitern an den Abständen der Sperrpfähle auf Radwegen und den Türbreiten zu Hause. Die Beladungsgrenze regelt sich durch die begrenzte Antriebs- und Bremskraft eines Fahrrades oder Pedelecs. Für S-Pedelecs zugelassene Anhänger sind nicht auf dem Markt. Die Herstellerangaben zur Zuladung liegen meist höher als die angenehm und sicher zu bewegende Last.

Klar geregelt ist jedoch die Beleuchtung für nach dem Jahr 2018 gekaufte Anhänger. Wie beim Fahrrad sind Seitenreflektoren in den Laufrädern oder Reflexreifen Pflicht. Anhänger über 60 Zentimeter Breite (und damit alle im Test) sowie solche, deren Ladung das Fahrrad-Rücklicht verdeckt, brauchen links ein eigenes Rücklicht. Bei einer Breite über ein Meter wäre vorne links ein weißes Licht vorgeschrieben. Die im Test vertretenen Anhänger müssen aufgrund ihrer Breite zudem auf der Rückseite zwei rote und auf der Vorderseite zwei weiße Reflektoren haben.

Den kompletten Vergleichstest der Fahrrad-Lastenanhänger inkl. aller Testurteile und Einzelbewertungen können Sie kostenpflichtig unter dem Artikel als PDF herunterladen.

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